Vollkommen sicher mit Stroh gebaut

Ökodorf avanciert zum bundesweiten Vorreiter des Strohballenbaus

Oekodorf
© Ökodorf e.V., Poppau

Wenn im Sommer die Bauern auf ihren riesigen landwirtschaftlichen Maschinen über die Felder holpern und die angsteinflößenden Ungeheuer ohne Unterlass Strohballen um Strohballen ausstoßen, mag sich so mancher fragen: "Was macht der bloß mit all dem Stroh?" Ein findiger Landwirt hat einen Weg gefunden, sein ökologisch produziertes, überschüssiges Stroh gut zu vermarkten: Die Genossen des nahegelegenen Ökodorfes "Sieben Linden" südlich von Salzwedel wollen "öko" bauen - Strohballenwohnhäuser sollen entstehen. Und damit diese Wohnhäuser auch niet- und nagelfest werden, hat der Freundeskreis Ökodorf e.V. in Poppau das Projekt "Selber bauen mit Strohballen und Lehm" zur Chefsache erklärt und unterstützt die zukünftigen Bauherren der Wohnungsgenossenschaft - wie auch alle weiteren Interessenten - mit Know-how und technischem Gerät. 50 Erwachsene und zwölf Kinder leben zurzeit im Ökodorf. Sie arbeiten als Handwerker, Illustrator oder Koch, sie sind keine Aussteiger, sondern eher Visionäre, studierte Leute zumeist, die sich entschlossen haben, ihre Zukunft auch ohne manche Segnung der Moderne lebenswert einzurichten. "Viele leben bei uns in Bauwagen. Doch wir wollen keine Bauwagensiedlung bleiben, sondern kostengünstig aus ökologischen Materialien Niedrigenergiehäuser bauen", erzählt Eva Stützel vom Freundeskreis Ökodorf e.V.

Umweltfreundlich bauen

Vorerst scheiterte jedoch alles sowohl an Gesetzesbarrieren als auch an landläufiger Skepsis. Häuser aus Stroh gelten als kurzlebig, instabil, leicht entflammbar, anfällig für Schimmel und Nager. So existiert in Deutschland auch kaum Technik zur Herstellung von Baustrohballen. Genau hier setzt nun das Projekt an, mit dem all jene Vorurteile aus dem Weg geräumt werden sollen. Innerhalb des "Regionen Aktiv"-Programms wird es sogar vom Bundesverbraucherschutzministerium gefördert. "Strohballenbautechnik und Herstellung in der Altmark" heißt das ehrgeizige Vorhaben, Stroh als Baumaterial salonfähig zu machen. Denn zu den zugelassenen Baustoffen gehört das Stroh sowohl in Dänemark als auch - seit über 100 Jahren - in den USA, hierzulande aber erst seit 2004. "Dabei lassen sich mit Strohballen auf einfache Weise sehr umweltfreundliche, regional produzierte Wohnhäuser, Stallungen und Lagerräume erstellen, deren Dämmung Passivhausstandard erreicht", weiß ein beteiligter Architekt und verweist auf garantierte Schadstofffreiheit, hohen Dämmstandard, ein sehr gutes Wohnklima, geringsten Primärenergieeinsatz, umweltverträgliche Herstellung und geringen Ressourcenverbrauch.

Maschinen und Know-how

Das Projekt der Ökodorf e.V. "Selber bauen mit Strohballen und Lehm" soll zum einen das Interesse am Strohballenbau wecken und Interessierten mittels Seminaren und Workshops das benötigte Wissen vermitteln und benötigte Maschinen und Geräte verleihen. Zum anderen soll der Aufbau einer ökologischen Modellsiedlung - dem Dorf "Sieben Linden" - gefördert werden. Von der Errichtung eines ersten regulär genehmigten zweigeschossigen Strohballenwohngebäudes zwischen Nordsee und Alpen sowie der dadurch erhofften Signalwirkung überzeugt, entschloss sich die IKEA Stiftung, einen Beitrag zu den Honorarkosten für Referenten, Fach- und Bauseminare sowie den Erwerb des technischen Equipments zu leisten. Zu Letzterem gehörten vor allem eine Strohballenpresse und ein Zwangsmischer als wichtigste Geräte für das Bauen mit Strohballen und Lehm. 

„Strohpolis“ ist bezugsfertig 

Mit den an sie ausgeliehenen Geräten und dem Bau des ersten Mehrfamilien-Wohnhauses "Strohpolis" betrat die Wohnungsgenossenschaft "Sieben Linden eG" in der Strohballensaison 2003 Neuland. Erst entstand ein Fachwerkgerüst, das mit den Strohballen ausgefacht und anschließend in Handarbeit mit Lehm verputzt wurde. Die dazugehörigen Arbeiten verrichtete die Wohnungsgenossenschaft in einem Team von angestellten Handwerkern, zukünftigen Mietern und Baugästen, die durch Mitarbeit auf der Baustelle Erfahrung im Strohballenbau sammelten, um dann später selbst eigene Strohballenhäuser zu bauen: Die Pionierarbeit ist geleistet, das Haus steht. Nebenher spinnen die Strohballenbauer in "Sieben Linden" schon an einem regionalen Netzwerk von Planern, Landwirten und Handwerkern, um in der Altmark eine kooperative Strohballenhausproduktion aufzubauen. Man erhofft sich touristische Effekte, erwartet neue Jobs. Geplant sind auch Tests zu geeigneten Getreidesorten und Anbauweisen, die eine konstante Qualität sichern.

Antragsteller: Ökodorf e.V., Poppau
Projekttitel: Selber bauen mit Strohballen und Lehm