Bauen bedeutet Ereignisse zu schaffen

Kinder begegnen den Herausforderungen der Architektur

Bremer Quartier
© Quartier gGmbH, Bremen

Wer in Deutschland ein neues Haus bauen will, hat allerhand zu beachten: Geschossflächenzahl, Kubikmeter umbauter Raum, Traufhöhe, Dachneigung und geforderte Anzahl der Stellplätze und, und, und. Wer von Türmchen und Zinnen und begrünten Flachdächern träumt, den holt spätestens der Architekt auf den Boden des Bebauungsplans zurück. In den Siedlungen reihen sich schnell hochgezogene Häuschen vom Generalunternehmer aneinander. Es herrscht fantasielose Drei-Zimmer-Küche-Bad-Uniformität. Um so Aufsehen erregender ist es, wenn unter dem Motto des Bauhaus Gründers Walter Gropius „Bauen, das ist Ereignisse schaffen“ junge und jüngste Bauherren sich dem Thema Architektur widmen. Das Kinderkulturprojekt „Stadtbau“, initiiert vom Bremer Kunstverein „Quartier“, forderte Kinder und Jugendliche auf, ihr Traumhaus zu entwerfen: ohne einengende Regeln und formelle Vorgaben. Wie sehen sie Architektur? Welche Raumerfahrungen wünschen sie sich? Aus welchem Material bauen sie ihr Traumhaus? Rund eintausend Kinder von vier bis sechzehn Jahren haben mitgemacht und Chill-Häuser, Wohn-Eier, Schaukelnester und einen Weidenpalast konzipiert. 

Eintausend Kinder, zweitausend Ideen! 

Der mehrfach ausgezeichnete Verein „Quartier e.V.“ aus Bremen plant und organisiert seit 1989 kulturpädagogische Projekte für Kinder und Jugendliche. In Fortführung der Kinderkulturprojekte „Stadtbilder 2005“ und „Bautenstadt 2006“ entwickelte sich im Jahr 2007 „Kinder bauen in der Stadt – Kinderbauten in der Stadt Bremen“. Aus gemalten Stadtbildern und erfundenen Modellbauten entstanden unter Anleitung professioneller Künstler, Architekten und Pädagogen begehbare große „Stadtbauten“. Um die Kosten für Vorbereitung, Werkstätten und Bauarbeiten tragen zu können, war der Verein auf die finanzielle Unterstützung auch von der IKEA Stiftung angewiesen. In temporär eingerichteten Werkstätten wurden einige Modelle und Ideen weiterentwickelt und anschließend von einer Jury, die aus Kindern und Jugendlichen, Stadtteilbewohnern und -politikern, Kulturpädagogen und Architekten bestand, zur endgültigen Realisierung ausgewählt. Hier zwei Beispiele: 

Skulptur als Treffpunkt 

Osterholz-Tenever. In dem Bremer Stadtrandgebiet fand eine ‚Basis-Sanierung’ statt. Ganze Hochhauskomplexe wurden abgerissen. Weite, leere Flächen entstanden. „Das sieht ziemlich langweilig aus“, fand Bahar (14) und machte mit 150 anderen Kindern mit beim Projekt „Skulptur als Treffpunkt“. Zuerst aus Papierstreifen entwickelt, entstanden später begehbare Modelle aus Draht und Plastik, Pappe und Karton, die zu neuen Raumerfahrungen einluden. In der Werkstatt wurden Gießtechniken erlernt und Gussformen hergestellt, die Kinder konnten sich über Gipsformen und Abgüsse der Herstellung der realen Skulptur annähern. Leider konnte nur eine Skulptur gebaut werden. Es wurde das Modell von Bahar, Dilan, Bahar, Elif und Safiye. 

Das Ei als Utopie des Wohnens 

Für die Kinder der Schule am Osterhop lohnte sich die Teilnahme am „Stadtbau“-Projekt doppelt: Einerseits hatten sie während der Zeit viel Spaß zusammen und lernten neue Dinge kennen. Zum anderen verschönern die Ergebnisse ihrer Arbeit nun dauerhaft ihren Spielplatz. Ihre „Wohneier“ sind lauschige Plätzchen, in die sie sich in den Pausen zurückziehen können. Ein Raum ohne Ecken und Kanten, in dem man wohnen kann, schaukeln und träumen. Modelle zu Stand- und Hängekonstruktionen wurden entwickelt, Statik, Innenausstattung und Material erprobt und daraus die „Wohnutopie in Rund“ gebaut. Für die Verantwortlichen von „Quartier“ ist es schön zu sehen, dass die Kinder so begeistert mitmachen. Und auch so mancher Architekt nimmt aus dem Projekt neue Denkanstöße in den Berufsalltag mit: „Die Kinder haben mich, aber auch die Studierenden kreativ beflügelt. Als gestandener Architekt hat man vergessen, von Regenbogenbetten und bewohnbaren Früchten oder Eiern zu träumen.“

Antragsteller: Quartier e.V., Bremen
Projekttitel: Stadtbau 2007